Der Berchtesgadener Anzeiger berichtet am 5. Nov. 2013:
Hilfe für Krankenhaus im Pamir-Gebirge
Gisela und Peter Bondes sammeln Spenden und planen Ultraschall-Kurs
Schönau am Königssee − Ein Stethoskop war das Einzige, was der Arzt im Dorf Basid am Bartang-Fluss im Pamir-Gebirge im wilden Tadschikistan hatte, als Gisela Bondes aus Schönau am Königssee erstmals dort war. »Wir brauchen alles«, baten die Einheimischen händeringend. Derzeit sammelt das Ärzteehepaar Bondes fleißig über den im Januar neu gegründeten Verein »Pamir-Hilfe« Spenden und von Sponsoren geschenkte medizinische Geräte. Im September nächsten Jahres wollen sie vier Wochen hinfahren, um dem Arzt in einem Kurs die Arbeit mit dem Ultraschallgerät beizubringen.
Nach der Landung am Flughafen in Dushanbe dauert es bis zu 17 Stunden, um in das abgelegene Dorf im Bartang-Tal zu gelangen. Schon als sie zum ersten Mal 2011 zufällig mit ihrer Tochter ins Pamir-Gebirge kam, verliebte sich Gisela Bondes in dieses raue schöne Land und seine Menschen. Mit ihrer 30-jährigen Tochter, die Sinologie studiert hat, unternimmt sie alle zwei bis drei Jahre eine Frauen-Reise. »Wir kommen überall dorthin, wo sonst keiner hinkommt«, verrät sie stolz. Nach Besichtigung des legendären usbekischen Samarkand, das Gisela Bondes seit der Lektüre eines Buches darüber als Kind fasziniert hatte, wollten Mutter und Tochter noch in die Berge. Davon, was sich hinter dem Namen »Pamir« verbirgt, hatten sie keine Ahnung, »aber das hat wunderbar geklungen«, erinnert sich die Ärztin.
Von einer Freundin aus Bern hatte sie die Adresse von Odina, einem tadschikischen Bergführer, bekommen, der ihnen in 14 Tagen die Schönheiten seines Landes zeigte.
»Wenn es dir hier so gefällt, dann arbeite doch nach der Pension bei uns«, sagte Odina damals zu ihr. Ob sie das will, konnte sie damals nicht spontan sagen. Stattdessen arbeitete sie im Sommer 2012 vier Wochen lang im dortigen Krankenhaus mit. Sie nahm Kleinigkeiten wie Medikamente, ein Stethoskop, einen Ohrenspiegel oder Verbandsmaterial mit. Ihr Arztkollege Mamydyor wird unterstützt durch vier bis fünf Krankenschwestern. Nur in zwei Patientenzimmern und im Sprechzimmer ist Glas in den. Fenstern. Es fehlte nach wie vor am Allernötigsten. »Heuer haben wir alles mitgenommen«, erzählt Gisela Bondes von ihrer dritten Fahrt im Mai 2013 ins Bartang-Tal, diesmal mit ihrem Mann. Firmen hatten dem jungen Verein wichtige Utensilien wie Sterilisator, chirurgisches Besteck, eine Zentrifuge oder ein Mikroskop gespendet.
Bei ihrer nächsten Fahrt wollen Gisela und Peter Bondes dabei helfen, zwei Zimmer so herzurichten, dass man eine Liege und ein Ultraschallgerät hineinstellen sowie ein kleines Labor einrichten kann. »Wir wollen ihnen helfen, dass das so wird wie eine kleine Landarztpraxis im Bayerischen Wald«, erklärt Gisela Bondes. Mithilfe von Russlanddeutschen machte sie auch einen Bücherversand ausfindig, über den sie russische Medizinbücher besorgte. Der geplante Ultraschallkurs soll dem Arzt, der nur ein altes Anatomiebuch von 1950 und sonst keinerlei medizinische Kenntnisse hat, wichtige Fähigkeiten zur Betreuung der Dorfbevölkerung vermitteln.
Dies ist auch dringend nötig angesichts grassierender Infektionskrankheiten wie Tuberkulose, verbreiteter Magengeschwüre und Migräne, zahlreicher Parasiten und häufiger Rücken- und Gelenkbeschwerden. Die Lebenserwartung liegt im Schnitt nur bei 62 Jahren, die Kindersterblichkeit ist groß. Antibiotika fehlen. Offiziell gibt es zwar eine Krankenversicherung; doch abgesehen von den vom religiösen Führer bezahlten Impfungen müssen die Menschen alle Kosten selber tragen. Ein Arztbesuch kostet fünf Dollar.
Die stolzen, offenen Frauen des Bartang-Tals haben Gisela Bondes ebenso fasziniert wie die Begeisterung der Jugend und auch einer 40-jährigen Bäuerin für einen Kletterkurs des Ärzteehepaars in selbst eingebohrten Routen, damit die Jugendlichen eine bessere Perspektive als Bergführer haben. »Das war richtig nett. Acht Tage lang war ich Sozialpädagogin«, erzählt die Schönauerin. Viele junge Leute dort studieren und finden danach keine Arbeit. »Ich habe eine 28-jährige Frau kennengelernt, die fünf Jahre Englisch studiert hat und heute ihr Geld mit Sockenhäkeln verdient«, sagt Gisela Bondes.
Auch das nachhaltige Denken fasse dort langsam Fuß: Nach der Trennung von der Sowjetunion 1991 und dem Bürgerkrieg 1992 bis 1997 habe die ehemalige ärmste russische Teilrepublik ihre frühere Versorgung mit Kohle und Essen eingebüßt, und man habe alle Bäume gefällt. »Nun haben sie gelernt, dass sie acht Bäume pro Person brauchen.« Ein Problem ist auch, dass nur da etwas wächst, wo das trockene, versteppte Land bewässert wird. Dringend braucht das Schönauer Paar noch die fehlenden 80 000 Euro für eine Turbine, damit alle 100 Familien Strom bekommen.
Informationen über den Verein, das Spendenkonto und die Ansprechpartner sind im Internet unter
www.pamir-hilfe.de nachzulesen.
Veronika Mergenthal