bilderstreifen

Am 04. Juni 2022 berichtet der Berchtesgadener Anzeiger:

Hilfe zur Selbsthilfe macht Fortschritte

Viele Projekte im tadschikischen Basid – Jahreshauptversammlung des Berchtesgadener Vereins Pamir-Hilfe

Schönau am Königssee – Es sind wieder einmal unruhige Zeiten am Rande des Pamirgebirges. Rund um die Provinzhauptstadt Khorog gab es bei Unruhen zahlreiche Tote und Verletzte. Immerhin spürt man 80 Kilometer weiter im Ort Basid, tief im Bartgang-Tal gelegen, davon nichts. Hier realisierte der Berchtesgadener Verein Pamir-Hilfe in den vergangenen zehn Jahren zahlreiche Hilfsprojekte. Die Bilanz, die Kassierin Gisela Bondes auf der Jahreshauptversammlung am Mittwoch in Schönau am Königssee zog, fiel durchwegs positiv aus.

Viele hunderttausend Euro an eingegangenen Spenden hat Gisela Bondes als Vereinskassierin in den vergangenen zehn Jahren verwaltet und in Hilfsprojekte im Bartang-Tal gesteckt. Zusammen mit ihrem Mann Peter Bondes, 1. Vorsitzender, und weiteren Vereinsmitgliedern reist sie regelmäßig ins Pamir-Gebirge, um die Projekte voranzutreiben. Gleichzeitig lässt das Ärzte-Ehepaar den Bewohnern während seines Aufenthalts immer wieder auch medizinische Versorgung zukommen.

IMG 0167aZuletzt war Gisela Bondes im März zusammen mit Vereins-Kassenprüfer Sepp Graßl ins Bartang-Tal gereist, wie sie jetzt auf der Jahreshauptversammlung berichtete. Mit gemischten Gefühlen hatten sie die Reise angetreten, denn nach dem gewaltsamen Tod eines Einheimischen hatte es in der Gegend um Khorog Demonstrationen gegen die Regierung gegeben. Die wiederum schlug mit großer Härte zurück. Die Folge waren zahlreiche Tote und Verletzte. Mittlerweile ist auch der Gouverneur, mit dem die Berchtesgadener so gut zusammengearbeitet hatten, abgesetzt worden.

Während ihres Aufenthalts in Tadschikistan bekamen Gisela Bondes und Sepp Graßl von den Auseinandersetzungen nichts mit, lediglich Telefon und Internet waren außer Betrieb. Allerdings mussten sie wegen Unpassierbarkeit der Straße mehrere Tage in der Hauptstadt Dushanbe ausharren, bis sie ins Bartang-Tal Weiterreisen konnten. Die Kassierin zählte insgesamt sieben bis zu 100 Meter breite und 30 Meter hohe Lawinen, die schließlich abenteuerlich überklettert werden mussten. »Schon die Anreise war so ein kleines Abenteuer«, blickte die Ärztin zurück. Doch die Einheimischen aus Basid waren den Berchtesgadenern zu Hilfe gekommen, hatten den Gepäcktransport und Shuttledienste zwischen den Lawinen organisiert.

In Basid angekommen, hatten die Berchtesgadener ihre Freude an den aktuellen Entwicklungen im Ort. Viele von den Einheimischen selbst initiierten Projekte, die der Verein Pamir-Hilfe unterstützt hatte, laufen mittlerweile gut. Der Ort verfügt jetzt sogar über ein frisch saniertes Clubhaus mit Bühne, ein Kulturzentrum, in dem es unter anderem Konzerte gibt. Auch ein Treffpunkt für die Jugendlichen des Ortes soll es sein. Dort feierten die Berchtesgadener zusammen mit den Einheimischen etwas verspätet das persische Neujahrsfest Nouruz.

IMG 0224aFahrt aufgenommen haben mehrere Projekte, die die Frauen des Dorfes mit Vereinsunterstützung in die Hand genommen hatten. Sie haben jetzt eigene Nähmaschinen und drei Spinnmaschinen, mit denen sie eigene Schafwolle und daraus wiederum bunte Socken zum Verkauf herstellen. Auch eine kleine Kneipe ist am Ortsrand entstanden, hier versorgen und bekochen die Ortsbewohner unter anderem Reisende, die sich vorher anmelden können. Auch ein kleiner Laden, in dem lokales Gemüse angeboten werden soll, ist in der Entstehung.

Dann gibt es noch das Marmeladenprojekt, zu dem der Berchtesgadener Verein eine Anschubfinanzierung gegeben hat. 300 Gläser mit heimischem Obst haben die Ortsdamen eingekocht. Fast alle konnten verkauft werden. Dass einige Familien jetzt Hühner halten, ist auch ein Verdienst der Pamir-Hilfe, denn der Verein bezahlte ein halbes Jahr lang das Futter und beteiligte sich am Gehegebau. Nun konnten die Einheimischen die Zahl der Hühner sogar steigern. Jeden Tag produzieren die Tiere mehrere Eier, die ebenfalls verkauft werden.

Ein weiterer Wunsch der Einheimischen war der Bau eines Gewächshauses, an dem sich die Pamir-Hilfe schließlich beteiligt hat. Hier kann man schon im Februar die kleinen Pflänzchen vorziehen, damit die Ernte früher beginnen kann.

IMG 0495aBegeistert zeigte sich Gisela Bondes vom Projekt eines Bibliothekars, der in bescheidensten Räumlichkeiten aus einer Eigeninitiative heraus eine kleine Bibliothek eingerichtet hat. »Er liebt seine Bücher über alles«, schwärmte die Berchtesgadener Ärztin und äußerte ihre Hochachtung für die rund 600 Ausleihungen im Jahr. Gisela Bondes will den Mann beim nächsten Besuch mit zusätzlichen Büchern versorgen.

Ein Anliegen bei dem jüngsten Besuch aus Berchtesgaden war die Vorbereitung der vom Verein finanzierten Krankenstation für den Solarbetrieb. Sepp Graßl sorgte für die notwendigen Anschlüsse und Schaltungen und wies vor allem auch die Einheimischen in das System ein. Groß war die Freude der Berchtesgadener auch über die positive Entwicklung des Kindergartens, der im letzten Jahr eingeweiht worden war. »Er ist traumhaft schön geworden«, sagte Gisela Bondes. Nun geht es allerdings darum, den Einheimischen auch die Wichtigkeit von Erhaltungs- und Reparaturmaßnahmen beizubringen. Denn am entsprechenden Bewusstsein fehlt es bislang noch.

Immer noch nicht gelöst werden konnte das Problem der Trinkwasserversorgung. Auch andere Hilfsorganisationen waren in dieser Angelegenheit bereits tätig, doch die Erfolge hielten sich in Grenzen. Die Berchtesgadener suchen immer noch nach einer Lösung, denn die Gletschermilch aus dem Bartang-Fluss ist für die Bewohner gesundheitsgefährdend. Bereits im August will man sich wieder darum kümmern, denn dann wollen Gisela und Peter Bondes mit Freunden wieder nach Basid reisen. »Aber erst müssen wir schauen, ob wir überhaupt ins Tal kommen«, schränkte die Kassierin ein.

In ihrem Kassenbericht hatte Gisela Bondes sämtliche Einnahmen und Ausgaben des Vereins sauber aufgelistet und bekam dafür Lob von Kassenprüferin Dorothee Schiegnitz. Da konnten die Mitglieder beruhigt Entlastung erteilen. Die gab es auch für die Vorsitzenden Peter Bondes und Dr. Simon Wagner.

Ulli Kastner